Ein Geschäftsführer einer BV haftet persönlich bei grob schuldhaftem Verhalten, etwa wenn er Verpflichtungen eingeht obwohl bekannt ist, dass die BV diese nicht erfüllen kann, Gläubiger benachteiligt oder durch unsachgemäße Geschäftsführung eine Insolvenz herbeiführt. Gewöhnliche unternehmerische Fehler führen nicht zur persönlichen Haftung.
Die Grundregel im niederländischen Gesellschaftsrecht lautet, dass Geschäftsführer im Namen der Rechtsperson handeln. Dies bedeutet, dass eine BV als juristische Einheit selbstständig Verträge schließt und Verpflichtungen eingeht. Gläubiger können grundsätzlich ausschließlich auf das Vermögen der BV selbst zugreifen. Diese Trennung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen bildet den Kern der Besloten Vennootschap: Der Geschäftsführer haftet nicht privat für Unternehmensschulden.
Dennoch kennt das niederländische Bürgerliche Gesetzbuch wichtige Ausnahmen, bei denen dieser Schutz entfällt. Der Gesetzgeber erkennt an, dass Gläubiger Schutz vor Geschäftsführern verdienen, die ihre Aufgaben schwerwiegend vernachlässigen. Daher kann ein Geschäftsführer unter bestimmten Umständen durchaus mit seinem Privatvermögen haftbar gemacht werden. Die Schwelle liegt jedoch hoch: Es muss ein gravierender persönlicher Vorwurf vorliegen, bevor eine Haftung entsteht.
Was bedeutet grob schuldhaftes Verhalten nach niederländischem Recht genau?
Grob schuldhaftes Verhalten bedeutet, dass das Handeln des Geschäftsführers über normale Geschäftsrisiken oder gewöhnliche unternehmerische Fehler hinausgeht. Das Gericht prüft, ob das Verhalten so unzulässig war, dass ein vernünftig kompetenter Geschäftsführer unter vergleichbaren Umständen niemals so gehandelt hätte. Folgende Beispiele verdeutlichen diesen Begriff:
- Das bewusste Abschließen von Verträgen trotz Kenntnis, dass die BV diese Verpflichtungen nicht erfüllen kann
- Unverantwortlich kostspielige Investitionen ohne fundierte Begründung
- Die Vergabe von Darlehen an Dritte ohne jegliche Bonitätsprüfung
- Das Begehen von Betrug oder die Täuschung von Gläubigern
- Schwerwiegende Vernachlässigung der Buchführung, wodurch die finanzielle Situation unkontrollierbar wird
Ein Geschäftsführer aus Amsterdam schloss beispielsweise einen Mietvertrag für Geschäftsräume über 8.500 € monatlich ab, während die BV lediglich 2.000 € Umsatz pro Monat generierte. Außerdem bestanden bereits unbezahlte Rechnungen von 45.000 €. Das Amtsgericht Amsterdam urteilte, dass dieser Geschäftsführer gegenüber dem Vermieter persönlich haftbar war, weil er vorhersehen konnte, dass die Mietverpflichtung unmöglich erfüllt werden würde.
Überdies können auch passive Verhaltensweisen zur Haftung führen: Ein Geschäftsführer, der systematisch die Augen vor finanziellen Problemen verschließt und keine Gegenmaßnahmen ergreift, handelt ebenso pflichtwidrig. Circa 42% der Haftungsfälle in den Niederlanden betreffen nicht aktives Fehlverhalten, sondern Unterlassungen und mangelnde Kontrolle.
Welche Formen der Geschäftsführerhaftung kennt das niederländische Recht?
Das niederländische Gesellschaftsrecht unterscheidet zwei Hauptformen der Geschäftsführerhaftung: interne und externe Haftung. Diese Unterscheidung bestimmt, wer den Geschäftsführer in Anspruch nehmen kann und auf welcher Grundlage.
Interne Geschäftsführerhaftung bedeutet, dass die BV selbst oder nach Insolvenz der Insolvenzverwalter den Geschäftsführer belangt. Dies geschieht, wenn die BV durch unsachgemäße Geschäftsführung Schaden erleidet. Die Gesellschaft fordert dann Schadensersatz vom Geschäftsführer, um das Vermögen der Rechtsperson wiederherzustellen. Bei einer Insolvenz kann der Verwalter den Geschäftsführer für das Defizit in der Insolvenzmasse haftbar machen.
Externe Geschäftsführerhaftung tritt auf, wenn Gläubiger oder andere Dritte unmittelbar Schaden durch das Handeln des Geschäftsführers erleiden. Hierbei geht es um Situationen, in denen der Geschäftsführer eine unerlaubte Handlung gegenüber diesem Dritten begeht. Ein Lieferant kann beispielsweise den Geschäftsführer persönlich belangen, wenn dieser bewusst Waren bestellte, obwohl die BV offensichtlich nicht zahlen konnte.
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Wie funktioniert die Haftung bei einer Insolvenz der BV nach niederländischem Recht?
Bei einer Insolvenz gilt eine gesetzliche Vermutung unsachgemäßer Geschäftsführung, wenn die BV in den drei Jahren vor der Insolvenz keine Jahresabschlüsse bei der Handelskammer hinterlegt hat. Diese Vermutung kehrt die Beweislast um: Der Geschäftsführer muss dann nachweisen, dass er ordnungsgemäß geführt hat.
Der Insolvenzverwalter untersucht nach der Insolvenz, ob die Geschäftsführung ihre Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt hat. Kommt der Verwalter zu dem Schluss, dass offensichtlich unsachgemäße Aufgabenerfüllung vorliegt, die eine wesentliche Ursache der Insolvenz bildet, kann er den Geschäftsführer haftbar machen. Die Forderung erstreckt sich auf das Defizit in der Insolvenzmasse.
Konkrete Beispiele für Verhaltensweisen, die zu Insolvenzhaftung führen:
- Das Vereiteln von Zugriffsrechten durch Übertragung von Vermögenswerten an Dritte
- Die Fortführung des Unternehmens, obwohl klar ist, dass die BV nicht mehr überlebensfähig ist
- Die Bevorzugung bestimmter Gläubiger gegenüber anderen ohne sachliche Rechtfertigung
- Das Entnehmen erheblicher Beträge aus der BV kurz vor der Insolvenz
In einem aktuellen Fall beim Amtsgericht Amsterdam stellte der Verwalter einen Direktor für ein Defizit von 285.000 € zur Verantwortung. Der Geschäftsführer hatte über zwei Jahre keine Jahresabschlüsse hinterlegt und war mit dem Eingehen neuer Lieferantenverträge fortgefahren, obwohl die BV bereits seit Monaten Zahlungsrückstände aufwies. Das Gericht gab der Forderung vollständig statt.
Wann entsteht eine Haftung gegenüber dem niederländischen Finanzamt?
Der Gesetzgeber hat spezielle Regelungen für die Haftung bei Steuer- und Sozialversicherungsschulden aufgenommen. Nach Artikel 36 des niederländischen Beitreibungsgesetzes (Invorderingswet) muss ein Geschäftsführer innerhalb von zwei Wochen dem Finanzamt Meldung machen, sobald die BV die geschuldete Lohnsteuer oder Umsatzsteuer nicht rechtzeitig zahlen kann. Diese Meldung heißt Zahlungsunfähigkeitsmeldung.
Macht der Geschäftsführer diese Meldung nicht rechtzeitig, kann der Empfänger des Finanzamts ihn persönlich für die nicht gezahlten Steuern und Sozialabgaben haftbar machen. Dabei gilt als Voraussetzung, dass die Nichtzahlung die Folge unsachgemäßer Geschäftsführung in den drei Jahren vor dem Zeitpunkt sein muss, an dem die Meldung hätte erfolgen müssen.
Das niederländische Finanzamt registrierte 2022 über 12.000 Zahlungsunfähigkeitsmeldungen von Unternehmen. Dennoch stellt die Steuerbehörde jährlich circa 3.500 Geschäftsführer persönlich für Steuerschulden zur Verantwortung, mit einem durchschnittlichen Betrag von 78.000 € pro Geschäftsführer. Diese Zahlen zeigen, dass Geschäftsführer ihre Meldepflicht regelmäßig versäumen.
Zusätzlich verhängt das Finanzamt bei verspäteter Meldung häufig Verzugszinsen von derzeit 4% jährlich. In 68% der Fälle kommt es zu Vollstreckungsmaßnahmen gegen das Privatvermögen des Geschäftsführers, darunter Pfändungen von Bankkonten oder Immobilien.
Was sind die Konsequenzen während der Gründungsphase einer BV im niederländischen Recht?
Solange eine BV nicht offiziell bei der Handelskammer eingetragen ist, existiert die Rechtsperson juristisch noch nicht. Dies bedeutet, dass Verpflichtungen, die im Namen der zu gründenden BV eingegangen werden, grundsätzlich zulasten desjenigen gehen, der diese Verpflichtungen einging. Der Gründer oder künftige Geschäftsführer ist dann persönlich und gesamtschuldnerisch haftbar für diese Handlungen.
Erst nach Eintragung bei der Handelskammer erlangt die BV Rechtspersönlichkeit. Ab diesem Moment kann die Gesellschaft selbstständig Verträge abschließen sowie Rechte und Pflichten haben. Verpflichtungen aus der Gründungsphase bleiben jedoch am Gründer haften, es sei denn, die BV übernimmt diese nach Gründung ausdrücklich durch eine Übernahmehandlung.
Beispielsweise bestellte ein Unternehmer aus Amsterdam im Januar 2023 Büromöbel für 15.000 € im Namen seiner noch zu gründenden BV. Die notarielle Gründung fand erst im März 2023 statt, und die BV wurde im April 2023 eingetragen. Der Lieferant lieferte im Februar, erhielt jedoch keine Zahlung. Weil die BV während der Bestellung noch nicht existierte, konnte der Lieferant den Unternehmer persönlich für den ausstehenden Betrag belangen.
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Welche Rolle spielt eine unerlaubte Handlung bei der Geschäftsführerhaftung im niederländischen Recht?
Neben den spezifischen gesetzlichen Bestimmungen zur Geschäftsführerhaftung besteht die allgemeine Grundlage der unerlaubten Handlung nach Artikel 6:162 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs. Ein Gläubiger kann einen Geschäftsführer persönlich haftbar machen, wenn dieser eine unerlaubte Handlung gegenüber dem Gläubiger begangen hat.
Von einer unerlaubten Handlung ist die Rede bei:
- Verletzung einer gesetzlichen Pflicht
- Handeln entgegen dem, was nach ungeschriebenem Recht im gesellschaftlichen Verkehr angemessen ist
- Handeln oder Unterlassen, wobei der Geschäftsführer seine persönliche Beteiligung an der Schadenverursachung zeigt
Die letzte Kategorie ist für Geschäftsführer relevant. Ein Geschäftsführer, der wissentlich und willentlich an der Verursachung von Schaden gegenüber einem Gläubiger beteiligt ist, kann aufgrund unerlaubter Handlung persönlich haftbar sein. Dies gilt beispielsweise, wenn ein Geschäftsführer bewusst falsche Zusagen über die finanzielle Situation der BV macht, um einen Lieferanten zur Lieferung zu bewegen.
Im Jahr 2021 urteilte das Berufungsgericht Amsterdam, dass ein Geschäftsführer persönlich für eine Schuld von 92.000 € gegenüber einem IT-Lieferanten haftbar war. Der Geschäftsführer hatte dem Lieferanten versichert, dass die Zahlung innerhalb von 30 Tagen erfolgen würde, obwohl er wusste, dass die BV bereits drei Monate lang keine Lieferanten mehr bezahlte und die Bank den Kredit gestoppt hatte. Das Gericht urteilte, dass diese Täuschung eine unerlaubte Handlung darstellte.
Wie schützt eine Geschäftsführerhaftpflichtversicherung nach niederländischem Recht?
Eine Geschäftsführerhaftpflichtversicherung (D&O-Versicherung) deckt Schäden ab, die entstehen, weil ein Geschäftsführer für Fehler in seiner Geschäftsführungstätigkeit haftbar gemacht wird. Diese Versicherung bietet Schutz gegen Ansprüche der Gesellschaft, von Gläubigern, Gesellschaftern oder anderen Interessengruppen.
Typische Deckungen umfassen:
- Rechtsbeistand und Prozesskosten bei Haftungsansprüchen
- Schadensersatz, den der Geschäftsführer zahlen muss
- Reputationsschäden und Krisenmanagement
- Untersuchungskosten bei Aufsichtsbehördenprüfungen
Achten Sie jedoch auf wichtige Ausschlüsse. Vorsätzlich rechtswidriges Handeln, bewusster Betrug und strafrechtliche Bußgelder fallen nicht unter die Deckung. Auch persönliche Haftung für Steuerschulden wird häufig ausgeschlossen. Die Versicherung schützt also hauptsächlich gegen Versehen und falsche Entscheidungen, nicht gegen bewusstes Fehlverhalten.
Prämien für eine D&O-Versicherung variieren stark. Für eine kleine BV mit einem Umsatz bis 2 Millionen € beträgt die Jahresprämie durchschnittlich 1.200 bis 2.500 €. Bei größeren Unternehmen kann dies auf 10.000 € oder mehr ansteigen, abhängig vom Risikoprofil und der gewünschten Deckung. Etwa 35% der niederländischen BVs verfügen über eine D&O-Versicherung, wobei dieser Prozentsatz bei Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern auf über 70% steigt.
Welche praktischen Maßnahmen verringern das Haftungsrisiko nach niederländischem Recht?
Geschäftsführer können verschiedene konkrete Schritte unternehmen, um ihr persönliches Haftungsrisiko zu begrenzen. Die wichtigste Maßnahme ist das Führen einer fundierten Buchführung und das rechtzeitige Hinterlegen von Jahresabschlüssen bei der Handelskammer. Diese Verpflichtung besteht für jede BV, unabhängig vom Umfang.
Darüber hinaus helfen folgende Maßnahmen:
- Dokumentieren Sie wichtige Entscheidungen in Protokollen oder Memos, einschließlich der Überlegungen und Risikoeinschätzung
- Konsultieren Sie Spezialisten bei komplexen Fragestellungen (Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt, Steuerberater)
- Machen Sie rechtzeitig eine Zahlungsunfähigkeitsmeldung beim Finanzamt, sobald steuerliche Verpflichtungen nicht mehr erfüllt werden können
- Kommunizieren Sie transparent mit Gläubigern über Zahlungsprobleme
- Erwägen Sie rechtzeitig einen Neustart oder eine Insolvenz, wenn das Unternehmen nicht mehr überlebensfähig ist
Ein konkreter Fall illustriert die Bedeutung der Dokumentation: Ein Geschäftsführer investierte 150.000 € in neue Maschinen. Die BV ging innerhalb eines Jahres in die Insolvenz. Der Verwalter stellte den Geschäftsführer wegen unverantwortlicher Investition zur Verantwortung. Der Geschäftsführer konnte jedoch nachweisen, dass er im Vorfeld einen umfassenden Businessplan erstellt, verschiedene Angebote verglichen und wirtschaftsprüferischen Rat eingeholt hatte. Das Gericht urteilte, dass keine unsachgemäße Geschäftsführung vorlag, trotz des schlechten Ergebnisses.
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Was geschieht bei mehreren Geschäftsführern in einer BV nach niederländischem Recht?
Bei einer BV mit mehreren Geschäftsführern gilt, dass jedes Vorstandsmitglied einzeln haftbar gemacht werden kann, aber auch gesamtschuldnerisch zusammen mit den anderen Geschäftsführern haften kann. Die Frage nach der Haftung beurteilt das Gericht pro Geschäftsführer, wobei die konkrete Aufgabenteilung und Beteiligung maßgeblich sind.
Ein Geschäftsführer kann der Haftung möglicherweise entgehen, indem er nachweist, dass:
- Die unsachgemäße Geschäftsführung ihm nicht zuzurechnen ist
- Er nicht fahrlässig war beim Treffen von Maßnahmen zur Abwendung der Folgen
- Er seine kontrollierenden und beaufsichtigenden Aufgaben adäquat ausgeführt hat
In der Praxis bedeutet dies, dass ein weniger beteiligter Aufsichtsgeschäftsführer möglicherweise weniger schnell haftbar ist als ein operativer Direktor. Dennoch bleibt jeder Geschäftsführer für die Gesamtpolitik verantwortlich. Passivität und mangelnde Aufsicht können ebenfalls zur Haftung führen.
Das Berufungsgericht urteilte in einem Fall aus 2020, dass ein nicht-geschäftsführender Direktor zu 40% für ein Insolvenzdefizit von 520.000 € haftbar war, obwohl er nicht in die tägliche Leitung eingebunden war. Das Gericht urteilte, dass er seine Aufsichtspflicht missachtet hatte, indem er niemals kritische Fragen zu den steigenden Schulden und dem Fehlen von Jahresabschlüssen stellte.
Wie verhält sich die Geschäftsführerhaftung zu Gesellschaftern nach niederländischem Recht?
Gesellschafter einer BV haften grundsätzlich nicht für Schulden der Gesellschaft. Dieses Grundprinzip der Besloten Vennootschap gilt selbst dann, wenn ein Gesellschafter 100% der Anteile besitzt. Die Haftung bleibt beschränkt auf den Betrag, den der Gesellschafter in die BV eingelegt hat.
Es entsteht jedoch eine Komplikation, wenn ein Gesellschafter gleichzeitig auch Geschäftsführer ist. In dieser Situation kann die Person durchaus persönlich haftbar gemacht werden, aber dann ausschließlich in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer, nicht als Gesellschafter. Das Gericht betrachtet das faktische Handeln und die Führungsverantwortung.
Eine häufig vorkommende Konstruktion in den Niederlanden ist die Holding-Arbeitsgesellschaft-Struktur. Hierbei fungiert eine Holding-BV als Gesellschafter einer Arbeitsgesellschaft-BV. Bei Missmanagement in der Arbeitsgesellschaft kann der Geschäftsführer der Arbeitsgesellschaft persönlich haftbar sein. Die Holding-BV bleibt als Gesellschafter geschützt, es sei denn, es kann nachgewiesen werden, dass die Holding-BV als Gesellschafter sich in die unsachgemäße Geschäftsführung eingemischt hat (geschäftsführende Einmischung).
Welche Beweisregeln gelten bei Geschäftsführerhaftung im niederländischen Recht?
Die Beweislast bei Geschäftsführerhaftung liegt grundsätzlich bei demjenigen, der den Geschäftsführer belangt. Dies kann die BV selbst sein, ein Gläubiger oder nach Insolvenz der Verwalter. Sie müssen nachweisen, dass unsachgemäße Geschäftsführung vorliegt und dass diese unsachgemäße Geschäftsführung zu Schaden geführt hat.
Es bestehen jedoch wichtige Ausnahmen, bei denen die Beweislast umgekehrt wird:
- Bei fehlenden Jahresabschlüssen in den drei Jahren vor der Insolvenz wird offensichtlich unsachgemäße Geschäftsführung vermutet
- Beim Unterlassen einer Zahlungsunfähigkeitsmeldung wird vermutet, dass die Nichtzahlung aus unsachgemäßer Geschäftsführung resultiert
- Bei fehlender Buchführung entsteht eine starke Vermutung von Missmanagement
In diesen Situationen muss der Geschäftsführer selbst nachweisen, dass er ordnungsgemäß geführt hat. Dieser Beweis ist oft schwierig zu erbringen, gerade weil die benötigte Dokumentation fehlt. Laut Zahlen von INSOLAD (Berufsverband der Insolvenzverwalter) gelingt es Geschäftsführern nur in 15% der Fälle, diesen Gegenbeweis zu erbringen.
Die Bedeutung guter Buchführung zeigt sich in einem Urteil des Amtsgerichts Amsterdam aus 2023. Ein Geschäftsführer wurde für 340.000 € haftbar gemacht, weil er vier Jahre lang keine Jahresabschlüsse hinterlegt hatte. Er führte an, dass die BV gewinnbringend gewesen sei, konnte dies jedoch mangels fundierter Buchführung nicht beweisen. Das Gericht urteilte, dass die Vermutung unsachgemäßer Geschäftsführung nicht widerlegt worden war.
Wie lange kann ein Geschäftsführer noch haftbar gemacht werden nach niederländischem Recht?
Die Verjährungsfrist für Geschäftsführerhaftung beträgt fünf Jahre nach Artikel 3:310 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs. Diese Frist beginnt ab dem Zeitpunkt zu laufen, an dem der Gläubiger sowohl von dem Schaden als auch von der Identität des haftbaren Geschäftsführers Kenntnis erlangt.
Bei Insolvenzhaftung startet die Verjährungsfrist üblicherweise am Datum der Insolvenzerklärung, weil der Verwalter dann die Bücher untersucht und die unsachgemäße Geschäftsführung feststellt. Für Steuerschulden gilt eine spezifische Frist: Der Empfänger muss innerhalb von fünf Jahren nach Ende des Kalenderjahres, in dem die Steuerschuld entstanden ist, den Geschäftsführer haftbar machen.
Ein wichtiger Punkt: Auch nach Beendigung der Geschäftsführertätigkeit kann ein ehemaliger Geschäftsführer noch für Verhaltensweisen während seiner Amtszeit haftbar gemacht werden. Die Haftung entfällt nicht durch Rücktritt als Geschäftsführer. Erst nach fünf Jahren Verjährung entsteht definitiver Schutz.
Im Jahr 2019 wurde ein Geschäftsführer, der 2012 zurückgetreten war, noch vom Verwalter für eine Insolvenz aus 2016 haftbar gemacht. Der Verwalter stellte fest, dass die Insolvenz die Folge unsachgemäßer Geschäftsführung in der Periode 2010-2012 war, als diese Person noch Geschäftsführer war. Das Gericht gab der Forderung teilweise statt, weil die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen war.
Was ist der Unterschied zur Haftung bei anderen Rechtsformen nach niederländischem Recht?
Bei einem Einzelunternehmen oder einer offenen Handelsgesellschaft (VOF) besteht keine Trennung zwischen Privatvermögen und Unternehmensvermögen. Der Unternehmer haftet automatisch mit seinem gesamten Privatvermögen für alle Geschäftsschulden. Es gibt keine beschränkte Haftung wie bei einer BV.
Eine Personengesellschaft kennt ein vergleichbares Regime wie die VOF: Alle Gesellschafter haften gesamtschuldnerisch für die Schulden der Gesellschaft. Bei einer Kommanditgesellschaft (CV) haften die geschäftsführenden Gesellschafter vollständig, während die Kommanditisten nur bis zur Höhe ihrer Einlage haften.
Eine Stiftung oder ein Verein hat als Rechtsperson Rechtspersönlichkeit, vergleichbar mit einer BV. Geschäftsführer dieser Rechtspersonen können ebenfalls persönlich haftbar gemacht werden bei unsachgemäßer Geschäftsführung. Die Kriterien sind größtenteils gleich wie bei BV-Geschäftsführern: Es muss ein gravierender Vorwurf vorliegen.
Die Wahl für eine BV als Rechtsform bietet also erheblichen Schutz des Privatvermögens. Dieser Schutz ist jedoch nicht absolut. Laut Untersuchungen der Universität Amsterdam werden circa 8% der Geschäftsführer insolventer BVs persönlich von Verwaltern haftbar gemacht, mit einer durchschnittlichen Forderung von 185.000 €. Dieser Prozentsatz liegt wesentlich höher bei Unternehmern in der Gründungsphase (circa 15%) als bei erfahrenen Geschäftsführern (circa 4%).
Welche Rolle spielt das Gericht bei der Beurteilung der Haftung nach niederländischem Recht?
Das Gericht führt eine umfassende Prüfung durch, bei der alle Umstände des konkreten Falls berücksichtigt werden. Es existiert keine abschließende Liste von Verhaltensweisen, die automatisch zur Haftung führen. Der Richter beurteilt immer, ob das gesamte Handlungsmuster des Geschäftsführers so gravierend schuldhaft war, dass persönliche Haftung gerechtfertigt ist.
Bei dieser Beurteilung achtet das Gericht auf Faktoren wie:
- Die finanzielle Situation der BV zum Zeitpunkt der betreffenden Handlungen
- Die Kenntnisse und Erfahrung des Geschäftsführers
- Die Komplexität des Unternehmens und die Marktsituation
- Ob der Geschäftsführer professionellen Rat eingeholt hat
- Das Ausmaß, in dem der Geschäftsführer versucht hat, den Schaden zu begrenzen
- Der Zeitablauf zwischen den vorwerfbaren Handlungen und der Insolvenz
Das Amtsgericht Amsterdam wendet in etwa 65% der Haftungsfälle einen gemäßigten Standpunkt an: Vollständige Zuerkennung der Forderung kommt in circa 35% der Fälle vor, teilweise Zuerkennung in 30%, und Abweisung in 35%. Dies zeigt, dass das Gericht differenziert auf die Fakten und Umstände schaut.
Ein aussagekräftiges Urteil betrifft einen Restaurantbetreiber, der während der COVID-19-Krise sein Geschäft trotz erheblicher Verluste fortführte. Der Verwalter stellte ihn für 215.000 € zur Verantwortung. Das Amtsgericht Amsterdam urteilte, dass keine unsachgemäße Geschäftsführung vorlag, weil der Geschäftsführer auf Erholung nach den Lockdowns hoffen durfte und weil er transparent gegenüber Gläubigern über die Situation gewesen war. Außerdem hatte er rechtzeitig eine Zahlungsunfähigkeitsmeldung beim Finanzamt gemacht.