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Gerichtsverfahren in Holland

Eine Übersicht

Wenn unsere deutschsprachigen Rechtsanwälte in den Niederlanden ausländische Mandanten in Gerichtsverfahren in Holland vertreten, liegt der Fokus auch auf dem Informieren der Mandanten über den Ablauf von Gerichtsverfahren in Holland. Ziel ist es, dass die Unterschiede zwischen dem niederländischen Prozessrecht und dem eigenen System deutlich sind. In diesem Beitrag beantworten unsere niederländischen Rechtsanwälte die wichtigsten Fragen zu Gerichtsverfahren in Holland und einigen Eigenheiten des niederländischen Prozessrechts.

Typische Verfahrensschritte in niederländischen Gerichtsverfahren

Typische Verfahrensschritte in niederländischen Gerichtsverfahren in einem erstinstanzlichen Zivilprozess sind die folgenden:

  1. Die Klage wird durch einen niederländischen Gerichtsvollzieher bei der beklagten Partei zugestellt.
  2. Nach Zustellung wird die Klage bei Gericht anhängig gemacht und damit das Verfahren bei Gericht eingeleitet.
  3. Die beklagte Partei kann nun mögliche Anträge mit förmlichen Einwendungen (z.B. Zuständigkeit des Gerichts etc.) schriftlich bei Gericht einreichen. Dies gilt auch für mögliche Verfahrensschritte durch Dritte.
  4. Im nächsten Schritt wird die schriftliche Klageerwiderung durch die beklagte Partei bei Gericht eingereicht. In der Klageerwiderung muss auch eine eventuelle Widerklage eingereicht werden. Klage und Widerklage werden nach niederländischem Recht gemeinsam behandelt.
  5. Nach Einreichung des Schriftsatzes mit der Klageerwiderung ordnet das Gericht oftmals ein persönliches Erscheinen der Parteien vor Gericht an, um weitere Informationen zu erhalten und die Möglichkeiten einer gütlichen Einigung zu erörtern. Es findet daher kein gesonderter Gütetermin am Anfang des Verfahrens statt;
  6. Im nächsten Schritt ergeht das Urteil, wobei es sich um ein Zwischenurteil handeln kann, womit z.B. die Anhörung von Zeugen und/oder Sachverständigen angeordnet wird, oder um ein Endurteil, in dem die Forderung zu- bzw. abgewiesen werden.  
  7. In manchen Gerichtsverfahren in Holland ordnet das Gericht anstelle eines (Zwischen)Urteils auch eine zweite Runde mit Schriftsätzen an, in denen Standpunkte näher erläutert werden. Danach kann wiederum eine mündliche Verhandlung anberaumt werden, worauf das Zwischen- oder Endurteil folgt.

Berufung im niederländischen Prozessrecht

Die Regelung der Berufung im niederländischen Prozessrecht besagt, dass gegen ein Endurteil in Gerichtsverfahren in Holland innerhalb von drei Monaten nach dem Erlass des Urteils Berufung eingelegt werden kann. Gegen ein Zwischenurteil kann nur zusammen mit dem Endurteil Berufung eingelegt werden, es sei denn, das Gericht hat eine frühere Berufung gegen das Zwischenurteil explizit zugelassen (mit einer Frist von drei Monaten ab dem Datum des Zwischenurteils). Eine solche Möglichkeit der Berufung gegen Zwischenurteile kann nach niederländischem Prozessrecht auch bei Gericht beantragt werden. Ob ein Richter eine solche Berufung gewährt, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. 

Beiziehen dritter Parteien in Holländischen Gerichtsverfahren

Der Beklagte kann in niederländischen Gerichtsverfahren abhängig von den Umständen versuchen, die Haftung auf einen Dritten umzuleiten. Dafür ist das Beiziehen dritter Parteien in niederländischem Gerichtsverfahren erforderlich, so dass die dritte Partei am Gerichtsverfahren in Holland teilnimmt.

Ein Dritter, der freiwillig am Gerichtsverfahren beteiligt werden möchte, kann einen Antrag auf Beitritt als eigenständige Prozesspartei stellen oder beantragen, sich an der Seite einer der bisherigen Prozessparteien fügen zu dürfen. Ein solcher Antrag muss vor oder an dem Tag gestellt werden, an dem der letzte Schriftsatz eingereicht werden soll. Im Falle eines Antrags auf Beitritt als Partei muss der Dritte beantragen, sich entweder auf die Seite des Klägers oder des Beklagten zu stellen. Dies ist zulässig, wenn der Dritte darlegt, dass ein für die Partei, der der Dritte beitritt, ungünstiges Ergebnis sich auch auf seine Position negativ auswirken kann. Bei einer Intervention erhebt der Dritte einen eigenen Anspruch sowohl gegen den Kläger als auch gegen den Beklagten. Ein solcher Beitritt ist zulässig, wenn der Dritte nachweist, dass er ein ausreichendes Interesse an den möglichen nachteiligen Folgen eines Urteils im Verfahren hat.

Zusammenlegung von Verfahren nach niederländischem Prozessrecht

Bevor die Parteien weitere (inhaltliche) Einreden geltend machen, können diese nach niederländischem Prozessrecht beim Gericht die Verweisung einer Rechtssache an ein anderes Gericht beantragen, wenn bei dem anderen Gericht bereits ein Rechtsstreit zwischen denselben Parteien wegen desselben Sachverhalts anhängig ist oder, wenn ein solcher Rechtsstreit in engem Zusammenhang mit dem zu verweisenden Rechtsstreit steht. Diese Zusammenlegung von Verfahren nach holländischem Prozessrecht wird in einem entsprechenden Schriftsatz beantragt. Wird die Rechtssache an das andere Gericht verwiesen, wird sie mit der bereits bei diesem Gericht anhängigen Rechtssache zusammengelegt. Ähnlich verhält es sich mit zwei bei demselben Gericht anhängigen Rechtssachen zwischen denselben Parteien, die denselben Gegenstand haben. Zwar können die Verfahren auch geteilt werden, doch kommt aber nur in Ausnahmefällen vor.

Gerichtliche Entscheidungsfindung in Holländischen Gerichtsverfahren

Bei der gerichtlichen Entscheidungsfindung in holländischen Gerichtsverfahren spielen die Fragen eine Rolle, wie ein Gericht entscheidet, ob die Ansprüche oder Behauptungen bewiesen sind, welche Elemente sind für eine positive Entscheidung erforderlich sind und wie hoch die Beweislast ist.

Die Entscheidung über den Beweiswert der vorgelegten Beweise liegt im Ermessen des niederländischen Gerichts. Behauptungen oder Aussagen gelten als bewiesen, wenn sie auf Tatsachen beruhen:

  1. die im Laufe des Verfahrens festgestellt oder glaubhaft gemacht worden sind (z. B. durch Zeugenaussagen oder andere Beweismittel);
  2. die von den Parteien nicht (ausreichend) bestritten worden sind; oder
  3. die allgemein bekannt sind und keiner (spezifischen) Beweise bedürfen.

Die Beweislast liegt im Allgemeinen bei der Partei, die eine Behauptung mit einer bestimmten Rechtsfolge aufstellt. Unter bestimmten Umständen (die sich aus dem Grundsatz der Angemessenheit und Fairness ergeben) oder wenn eine besondere Regelung gilt, kann die Beweislast (teilweise oder ganz) auf die Gegenpartei verlagert werden.

Urteile, Rechtsmittel und Anordnungen in niederländischen Gerichtsverfahren

Der Umfang des niederländischen Gerichtsverfahrens wird von den Parteien festgelegt. Das Gericht ist daher an die (Formulierung der) Klage der klagenden Partei (und gegebenenfalls der Widerklage des Beklagten) gebunden. Urteile, Rechtsmittel und Anordnungen in niederländischen Gerichtsverfahren sind daher abhängig von der Prozesstaktik und den Forderungen der Parteien. Das Gericht darf kein Urteil fällen oder Rechtsmittel zulassen, das über die von den Parteien angestrebten Rechtsmittel bzw. Forderungen hinausgeht.

Beweismittel im niederländischen Prozessrecht

In niederländischen Gerichtsverfahren können die Prozessparteien alle Arten von Dokumenten als Beweismittel vorlegen. Das Gericht entscheidet über den Beweiswert der vorgelegten Unterlagen. Bei Urkunden, die von Notaren oder anderen Amtsträgern erstellt wurden, wird von der Richtigkeit ausgegangen, es sei denn, die andere Partei legt entsprechenden Gegenbeweis vor. Es gibt daher eine breite Skala von möglichen Beweismitteln im niederländischen Prozessrecht.

Das niederländische Recht sieht keine vollständige Offenlegung von Dokumenten und Beweisen durch die Prozessparteien vor. Auf Basis der niederländischen Zivilprozessordnung kann eine Partei aber Einsicht in bzw. eine Kopie bestimmter Unterlagen beantragen, wenn die Unterlagen Teil eines Rechtsverhältnisses sind, an dem die Partei beteiligt ist. Voraussetzung dafür ist, dass die Partei ein berechtigtes Interesse hat.

Zeugenbeweis in niederländischen Gerichtsverfahren

Nach niederländischem Prozessrecht kann Zeugenbeweis in niederländischen Gerichtsverfahren durch eine Zeugenvernehmung oder durch Abgabe einer schriftlichen Erklärung erbracht werden. Über die Beweiskraft einer Zeugenaussage entscheidet ebenfalls das Gericht. Zeugenaussagen, die von den Parteien selbst in Bezug auf Sachverhalte gemacht werden, für die die Partei die Beweislast trägt, werden Parteizeugen gewürdigt. Um vor Einleitung eines Gerichtsverfahrens Beweise zu erheben, kann eine Partei bei Gericht beantragen, eine vorläufige Zeugenvernehmung anzuberaumen. Eine solche Anhörung kann hilfreich sein, um festzustellen, ob ausreichende Beweise für die Einleitung eines Gerichtsverfahrens erhoben werden können.

Sachverständige in niederländischen Gerichtsverfahren

Das Gericht kann beschließen, einen (unabhängigen) Sachverständigen zu bestellen, der entweder ein schriftliches Gutachten erstellt oder während des Verfahrens (als Zeuge) angehört wird. Die Parteien können auch beantragen, dass das Gericht einen Sachverständigen bestellt. Das Gericht entscheidet über die Beweiskraft eines Gutachtens oder der Aussagen eines vom Gericht bestellten Sachverständigen in niederländischen Gerichtsverfahren. Im Allgemeinen stützt sich das Gericht bei der Urteilsfindung auf das Gutachten oder die Erklärungen eines gerichtlich bestellten Sachverständigen, so dass diese von sehr großer Wichtigkeit sind.

Ein Gesetzentwurf zur Modernisierung und Vereinfachung der Gesetze über die Möglichkeiten der Beweiserhebung in niederländischen Zivilverfahren (Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung der Beweismittel) wird derzeit vom Gesetzgeber geprüft. Der Gesetzentwurf zielt darauf ab, die Verfahren in Bezug auf die verschiedenen Möglichkeiten der Beweiserhebung im Vorverfahren zu harmonisieren, einschließlich Zeugenvernehmungen, Sachverständigengutachten und Ortsbesichtigungen sowie Offenlegung relevanter Dokumente. Außerdem wird mehr Gewicht auf die Offenlegung relevanter Informationen und Dokumente zu Beginn des Verfahrens gelegt. Der Richter kann auch eine aktivere Rolle bei der Beschaffung von Informationen übernehmen und die Parteien auf Möglichkeiten zur Ergänzung der Begründung ihrer Ansprüche hinweisen. Obwohl dies von den Gerichten bereits ausgeübt wurde, schafft der Gesetzentwurf auch eine Rechtsgrundlage für die vorprozessuale Beschlagnahme zum Zwecke der Beweissicherung außerhalb von Fällen des geistigen Eigentums. Für Fälle des geistigen Eigentums gibt es bereits eine Rechtsgrundlage.

Ausländische Zeugen in Gerichtsverfahren in den Niederlanden

Ob ausländische Zeugen in Gerichtsverfahren in den Niederlanden gezwungen werden können vor einem ausländischen Gericht auszusagen, oder ob ein niederländisches Gericht einen ausländischen Zeugen zur Aussage zwingen kann, hängt davon ab, ob zwischen den Niederlanden und dem anderen Land ein entsprechender Vertrag in Kraft ist. Die wichtigsten Verordnungen und Verträge sind die Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen und das Haager Beweisrechtsübereinkommen von 1970, die die wichtigsten niederländischen Handelsbeziehungen abdecken.

Nach der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 können die Gerichte der (meisten) EU-Mitgliedstaaten (einschließlich der Niederlande) andere EU-Mitgliedstaaten direkt um Unterstützung ersuchen. Das ersuchende Gericht kann die Gerichte der anderen EU-Mitgliedstaaten zudem ersuchen, in seinem Namen Beweise zu erheben (unter Anwendung der Verfahrensvorschriften des anderen EU-Mitgliedstaats) oder dem ersuchenden Gericht zu erlauben, selbst Beweise zu erheben (unter Anwendung der Verfahrensvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats). Das Haager Beweisrechtsübereinkommen von 1970, dem die Niederlande beigetreten sind, sieht mehrere Methoden der Beweiserhebung im Ausland vor, z. B. Schreiben zur Ersuchung und die Beweisaufnahme durch diplomatische Mitarbeiter.

Prüfung von Zeugen- und Urkundenbeweisen in niederländischen Gerichtsverfahren

Die Prüfung von Zeugen- und Urkundenbeweisen in niederländischen Gerichtsverfahren ist in erster Linie die Aufgabe des Gerichts. Das Gericht entscheidet über die Beweiskraft der Beweismittel. Der Richter stellt bei Zeugenaussagen die Fragen an die Zeugen. Die Anwälte der Parteien der Parteien haben das Recht, zusätzliche Fragen an den Zeugen zu stellen. Das Gericht kann entscheiden, ob diese Fragen beantwortet werden müssen.

Dauer niederländischer Gerichtsverfahren

Ein kontradiktorisches Zivilverfahren in Handelssachen, das in erster Instanz mit einem Endurteil abgeschlossen wird, dauert in der Regel ein bis zwei Jahre. Die Dauer niederländischer Gerichtsverfahren hängt dabei sehr von der Haltung und den Standpunkten der Parteien, aber auch von der Belastung des Gerichts ab. Der Fortgang des Verfahrens wird vom Gericht nach Maßgabe seiner Möglichkeiten und der landesweiten Verfahrensordnung bestimmt, die u. a. Fristen für die Einreichung von Schriftsätzen und andere verfahrensrechtliche Aspekte enthält. Die Möglichkeiten für die Parteien, ein Verfahren zu beschleunigen, sind nach niederländischem Prozessrecht leider sehr begrenzt.

Besonderheiten des niederländischen Prozessrechts

Eine der Besonderheiten des niederländischen Prozessrechts ist, dass eine Partei ein Urteil in einem Eilverfahren erwirken kann (kort geding), wenn die Angelegenheit so dringlich ist, dass sie vor dem Hauptsacheverfahren verhandelt werden muss. Ein Urteil im Eilverfahren hat allerdings vorläufigen Charakter und kann im Hauptsacheverfahren wieder aufgehoben werden. Die Parteien können auch beantragen, dass das Gericht zunächst über bestimmte vorläufige Aspekte der Angelegenheit entscheidet oder ein Teilurteil erlässt, doch liegt es im Ermessen des Gerichts, einem solchen Antrag stattzugeben oder ihn abzulehnen.

Prozessfinanzierung von niederländischen Gerichtsverfahren

Die Entwicklung von Prozessfinanzierung von niederländischen Gerichtsverfahren ist deutlich erkennbar. Der Einfluss, den solche finanzierenden Parteien auf ein niederländisches Gerichtsverfahren haben, hängt im Allgemeinen von der Art der Klage und den Vereinbarungen ab, die zwischen dem Kläger und dem finanzierenden Dritten getroffen werden. Prozessfinanzierer von niederländischen Gerichtsverfahren können beispielsweise ein (entscheidendes) Votum in Bezug auf die Bestellung eines Rechtsbeistands / niederländischen Anwalts, die Art der eingeleiteten Verfahren, die eingeleiteten Verfahrensschritte und die geschlossenen Vergleiche abgeben.

Unsere niederländischen Anwälte weisen darauf hin, dass im Falle von niederländischen Sammelklagen bestimmte Einschränkungen gelten. Sammelklagen nach niederländischem Prozessrecht nehmen an Relevanz zu und sind ein sehr adäquates Mittel bei einer großen Anzahl von Geschädigten (wie z.B. im Dieselskandal oder bei Schaden durch spezifische Finanzprodukte).

Niederländische Fachanwälte für Prozessrecht

Haben ein Gerichtsverfahren in Holland, haben Sie Fragen zum niederländischen Prozessrecht oder benötigen Sie in Holland spezifische anwaltliche Beratung zum niederländischen Recht oder Vertretung in einem Gerichtsverfahren in Holland? Unsere erfahrenen deutschsprachigen niederländischen Fachanwälte für Prozessrecht in den Niederlanden helfen Ihnen gerne weiter.

Kanzlei: +31 (0)20 – 210 31 38
Direct: +31(0)681474665
martin.kruger@maakadvocaten.nl

Martin Kruger

Martin Kruger

Martin Krüger führt als deutschsprachiger niederländischer Rechtsanwalt den German Desk von MAAK. Da Martin selbst in Heidelberg aufgewachsen ist und in den Niederlanden ausgebildet wurde, kennt er die diversen kulturellen Unterschiede zwischen beiden Ländern und setzt dieses Wissen ein um seine Mandanten in grenzüberschreitenden Fällen auf Deutsch optimal zu beraten und in juristischen Prozessen in den Niederlanden zu vertreten. Website Profil anschauen oder LinkedIn Profil anschauen.