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Beendigung von Dauerschuld­verhältnissen in den Niederlanden

Beendigung von Dauerschuldverhältnissen in den Niederlanden

Die Beendigung von Dauerschuldverhältnissen in den Niederlanden ist nach wie vor ein aktuelles Thema in der Rechtsprechung. Eine gängige (aber unzutreffende) Annahme ist, dass langfristige Verträge in den Niederlanden nicht einfach so gekündigt werden können. Gerade wenn die Parteien einen Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen haben, kann der Vertrag grundsätzlich gekündigt werden. Dies ist inzwischen ständige Rechtsprechung in den Niederlanden. Dennoch kann unter Umständen ein gewichtiger Grund, eine (längere) Kündigungsfrist und/oder Schadensersatz angemessen sein, um diese Kündigung nach niederländischem Recht rechtskräftig zu machen. Ist ein Vertrag auf unbestimmte Zeit auch ohne wichtigen Grund und ohne Kündigungsfrist wegen geringer Abhängigkeit und Unverbindlichkeit kündbar? Und wie verhält es sich mit einem (vermeintlich) unwirksamen Kündigungsgrund oder einem Missbrauch des Kündigungsrechts? Dies hatte das Gericht Nordholland in einem aktuellen Fall zu entscheiden. Unser Anwalt für Vertragsrecht Remko Roosjen erörtert im Folgenden knapp diesen Fall und erklärt, wie derartige Verträge zu handhaben sind.

WIE IST EIN DAUERSCHULDVERHÄLTNIS nach niederländischem Recht DEFINIERT?

Wenn die Rede von einem Dauerschuldverhältnis nach niederländischem Recht ist, handelt es sich laut Definition um eine vertragliche Vereinbarung zwischen Parteien, die auf eine kontinuierliche Leistung abzielt. Typische Beispiele sind etwa Vertriebsvereinbarungen, Handelsvertreterverträge und Franchisevereinbarungen. Aber auch einige Kaufverträge können als Dauerschuldverhältnis zu betrachten sein.

Ein Dauerschuldverhältnis in den Niederlanden muss nicht schriftlich vereinbart werden, sondern kann auch mündlich geschlossen oder stillschweigend verlängert werden. Dies kann zu einer Grauzone führen, wenn es um den Beginn eines Dauerschuldverhältnis geht, und stellt oft Grundlage nachfolgender Diskussionen dar. Um festzustellen, wann ein Dauerschuldverhältnis vorliegt, müssen alle Umstände des Falles berücksichtigt werden. Dazu zählen etwa die Exklusivität des Rechtsverhältnisses, etwaige mündlichen Vereinbarungen sowie die Absichten der Parteien. Selbstverständlich ist eine schriftliche Vereinbarung grundsätzlich vorzuziehen.

GRUNDSÄTZE ZUR BEENDIGUNG EINES DAUERSCHULDVERHÄLTNISSES in den Niederlanden

Die Beendigung von Dauerschuldverhältnissen in den Niederlanden und die dazu entwickelten Grundsätze sind ein häufiges Thema in der Rechtsprechung. Dies ist nicht verwunderlich, da der Vertriebsvertrag (und bis vor kurzem auch der Franchisevertrag) nicht gesetzlich geregelt ist. Der Handelsvertretervertrag hingegen schon.

In einer wegweisenden (und weitreichenden) Entscheidung namens SMQ/Goglio hat der Oberste Gerichtshof bekräftigt, dass ein unbefristeter Handelsvertretervertrag grundsätzlich gekündigt werden kann. Angemessenheit und Billigkeit können jedoch in Verbindung mit der Art und dem Inhalt des Vertrags und den Umständen des Falls einen gewichtigen Grund darstellen. Selbst wenn das Gesetz oder der Vertrag eine Regelung zur Kündigung enthält und Raum dafür schafft, kann Artikel 6:248 (1) BW (Niederländisches Bürgerliches Gesetzbuch) anordnen, dass weitere Anforderungen an die Kündigung gestellt werden. Darüber hinaus kann eine Berufung auf die Kündigungsregeln gemäß Artikel 6:248 (2) BW unannehmbar sein. Schließlich kann eine Vereinbarung nach dem Willen der Parteien unwiderruflich sein. Auch in diesem Fall kann ein Rechtsbehelf nach Artikel 6:248 (2) und 6:258 BW eingelegt werden.

 

GESCHÄFTSSTREITIGKEITEN ÜBER DIE BEENDIGUNG EINES DAUERSCHULDVERHÄLTNISSES

Am 25. Mai 2022 wurde vor dem Gericht Nordholland ein Rechtsstreit über die Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses verhandelt. Die Parteien schlossen im Jahr 2017 eine Vereinbarung über die Herstellung und den Verkauf von Schaluppen mit dem Namen Escape. Die Vereinbarung enthielt einen Verkaufspreis für die dazugehörigen Formboote und eine von der Beklagten an die Klägerin zu zahlende Provision, deren Höhe davon abhing, welcher Typ von Escape-Sloop verkauft wurde und ob es sich um einen von der Klägerin oder der Beklagten stammenden Kunden handelte. Zum Jahresende 2018 kündigte die Beklagte die Vereinbarung mit sofortiger Wirkung. Anschließend verkaufte sie die Formen an eine dritte Partei. Seit 2020 stellt die Beklagte auf Anweisung dieser anderen Partei und unter Verwendung der Formen Schaluppen her, die unter einem anderen Namen verkauft werden. Seit der Beendigung des Vertrags hat die Klägerin von der Beklagten keine Zahlung für die Herstellung von Booten erhalten, für die die Formen verwendet werden. Die entscheidende Frage war hier, ob diese Partei berechtigt war, den Vertrag fristlos oder ohne zusätzliche Entschädigung zu kündigen.

URTEIL DES GERICHTS ÜBER DIE BEENDIGUNG DES DAUERSCHULDVERHÄLTNISSES

Das Gericht warf zunächst die Frage auf, ob es sich tatsächlich um ein Dauerschuldverhältnis handelt. Das Gericht bejahte dies mit der Begründung, dass es sich um eine kontinuierliche Leistung auf beiden Seiten handele.

Da die Kündigung unbefristet, d. h. ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, ausgesprochen wurde, prüft das Zivilgericht, ob die Angemessenheit und Billigkeit in Anbetracht der Art und des Inhalts des Vertrags und der Umstände des Falles einen zwingenden Grund für die Kündigung darstellen. Diese Frage wurde verneint. 

Abschließend stellte das Gericht fest, dass die kündigende Partei auch keine Kündigungsfrist hätte einhalten oder eine Entschädigung für die Kündigung hätte zahlen müssen. Außerdem ist der Vertrag nach dem Willen der Parteien nicht unkündbar.

Ein entscheidender Grund dafür, dass die fristlose Kündigung nicht gegen Angemessenheit und Billigkeit verstößt, ist hier die Tatsache, dass keine (solche) Abhängigkeit im Rechtsverhältnis bestand und die gekündigte Partei keine Zeit brauchte, um ihren Geschäftsbetrieb anzupassen. Auch aus diesem Grund hat die kündigende Partei den Vertrag rechtmäßig mit sofortiger Wirkung gekündigt und ist nicht schadensersatzpflichtig. Ein unberechtigter Grund oder ein Missbrauch der Kündigungsbefugnis ist aus dem Sachverhalt nicht ersichtlich.

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Möchten Sie sich über ein Dauerschuldverhältnis nach niederländischem Recht oder die Beendigung eines solchen beraten lassen? Die Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses hängt oft von den Umständen des Einzelfalles ab, und die Praxis zeigt, dass es für eine Partei schwierig ist, eine eigene Einschätzung vorzunehmen. Unser Team von erfahrenen deutschsprachigen Anwälten in den Niederlanden für Dauerschuldverhältnisse hilft Ihnen gerne weiter.

Kanzlei: +31 (0)20 – 210 31 38
Direct: +31(0)681474665
martin.kruger@maakadvocaten.nl

Remko Roosjen

Remko Roosjen

Remko leitet das Team Handelsrecht in Amsterdam bei MAAK als Anwalt für Vertragsrecht in den Niederlanden und ist Mitglied des German Desk der MAAK. Aufgewachsen im deutsch-niederländischen Grenzgebiet, kennt Remko die kulturellen und rechtlichen Unterschiede zwischen beiden Ländern und setzt dieses Wissen ein, um seine Mandanten in grenzüberschreitenden Fällen auf Deutsch optimal zu beraten und in juristischen Prozessen in den Niederlanden zu vertreten. Website Profil anschauen oder LinkedIn Profil anschauen.