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Ausschluss des UN-Kaufrechts in den Niederlanden

Ausschluss des UN-Kaufrechts in den Niederlanden – ja oder nein? Ein kürzlich ergangenes Urteil des Bezirksgerichts Rotterdam enthält eine interessante Auslegung des Wiener Kaufrechts (CISG). Der Fall betraf einen internationalen Vertrag über Schutzmasken. Das Ergebnis fiel anders aus, als man es auf den ersten Blick erwarten könnte. In diesem Blog diskutieren Remko Roosjen Anwalt für Vertragsrecht in den Niederlanden, und Sabine Vletter, die Funktionsweise, Risiken, aber auch Vorteile des Wiener Kaufrechtsübereinkommens. Häufig – so auch in diesem Fall – stellt sich die Frage, ob ein international agierendes Unternehmen das Wiener oder auch UN-Kaufrecht vertraglich ausschließen sollte oder nicht?

RechtSSTREITIGKEITEN UNTER DEM UN-KAUFRECHT in den Niederlanden

Kaufvertrag Schutzmasken

E2C, ein niederländisches Unternehmen, das auf den Verkauf von Waren aus China in Europa spezialisiert ist, hatte einen Kaufvertrag mit Medical geschlossen, einem italienischen Unternehmen, das sich auf den An- und Verkauf von medizinischem Bedarf an Krankenhäuser spezialisiert hat. Am 23. März 2020, mithin zu Beginn der Covid-Pandemie in Europa, trafen die Parteien eine Vereinbarung über die Lieferung von Atemschutzmasken durch E2Cn. Am 25. März 2020 zahlte Medical daraufhin den gesamten vereinbarten Kaufpreis an E2C. Die Masken wurden jedoch nie geliefert. Für den Transport der Masken hatte E2C ein externes Transportunternehmen beauftragt, das die Masken wiederum an ein weiteres Unternehmen übergab. Medical forderte die Rückzahlung des Kaufpreises aufgrund eines Vertragsbruchs. Das Gericht wies die Ansprüche von Medical jedoch zurück.

Der internationale Handelsstreit befasst sich im Wesentlichen mit zwei Aspekten.

  1. Sind die Parteien aufgrund des Kaufvertrags an das Wiener Kaufrecht gebunden, da sie in verschiedenen Staaten ansässig sind?
  2. Ist E2C auf Grundlage des Kaufvertrags auch für den Transport der Schutzmasken haftbar, da E2C diese Aufgabe an einen Dritten übergeben hatte?

WAS IST DAS UN-KAUFRECHT?

Das Wiener Kaufrechtsübereinkommen ist ein internationales Übereinkommen über internationale Kaufverträge zwischen zwei unternehmerischen Parteien. Das Wiener Kaufrecht kann auf internationale Verträge angewendet werden und gilt für Verträge über bewegliche Güter. Das UN-Kaufrecht gilt jedoch nicht für Verbraucher! Es findet automatisch Anwendung, wenn beide Parteien in einem Mitgliedstaat ansässig sind, der Vertragspartei des Übereinkommens ist, und das Übereinkommen nicht ausdrücklich vertraglich (oder z. B. durch allgemeine Einkaufs- oder Verkaufsbedingungen) ausgeschlossen ist. Das Wiener Kaufrechtsübereinkommen kann auch dann Anwendung finden, wenn nur ein Staats Vertragspartei des Übereinkommens ist. Das Wiener Kaufrechtsübereinkommen wird als Erweiterung des niederländischen Rechts betrachtet, das immer dort greift, wo eine Frage nicht durch das UN-Kaufrecht abgedeckt ist.

WAS MÜSSEN SIE BEACHTEN, WENN SIE EINEN VERTRAG IM RAHMEN DES UN-KAUFRECHTS ABSCHLIESSEN?

Beim Abschluss von Kaufverträgen mit internationalen Geschäftspartnern ist es wichtig, sich der Existenz des Wiener Kaufrechts bewusst zu sein, sodass dieses nicht „ausversehen“ gilt, wie im obigen Fall, aber auch wegen des supranationalen Charakters des Wiener Kaufrechtsübereinkommens. Neben dem nationalen Recht gibt es auch supranationales Recht. Dazu gehören alle von internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen oder der Europäischen Union getroffenen Vereinbarungen und Regeln, an die sich die Mitgliedstaaten halten müssen. Charakteristisch für diese Gesetzgebung ist, dass supranationale Gesetze Vorrang vor nationalen Gesetzen haben. Daher hat das Wiener Kaufrecht auch Vorrang vor dem nationalen niederländischen Kaufrecht. Dies kann immer dann zu Problemen führen, wenn Sie davon ausgehen, dass der von Ihnen geschlossene Vertrag nach nationalem Recht wirksam ist, sich jedoch später herausstellt, dass für diesen vorranging das UN-Kaufrecht gilt. Unsere Anwälte für Vertragsrecht stellen oft fest, dass das Wiener Kaufrechtsübereinkommen in Handelsverträgen nicht beachtet wird. Abhängig von Ihrer Rechtsposition können dadurch neue unvorhergesehene Risiken entstehen, oder umgekehrt können geschäftliche Chancen ungenutzt bleiben. Es ist daher gut zu wissen, wann es für Sie von Vorteil ist, das Wiener Kaufrecht einzubeziehen oder auszuschließen. Sie sollten sich insoweit anwaltlich beraten lassen.

IST DAS UN-KAUFRECHT AUF VERTRÄGE ÜBER DEN INTERNATIONALEN WARENKAUF ANWENDBAR?

An dem in Rede stehenden Kaufvertrag über Schutzmasken waren ein niederländisches und ein italienisches Unternehmen beteiligt, die beide Vertragsparteien des Wiener Kaufrechtsübereinkommens sind. Darüber hinaus wurde die Wirkung des Übereinkommens im Kaufvertrag nicht vertraglich ausgeschlossen, sodass dieses anwendbar war. Das Gericht entschied, dass das Wiener Kaufrecht als Ergänzung zum niederländischen Recht gelte, da E2C seinen Sitz in Rotterdam hat.

WARENTRANSPORT UND SEIN VERHÄLTNIS ZUM UN-KAUFRECHT

Interessant wird der Streit, wenn es um die Frage des Transports geht. Wie bereits oben erläutert, wird durch die Anwendung des Kaufrechtsübereinkommens sichergestellt, dass das nationale Recht außer Kraft gesetzt wird. Nach niederländischem Recht liegt bei einem Kaufvertrag das Risiko für den Untergang der Ware bis zum Zeitpunkt der Lieferung beim Verkäufer. Erst nach der Lieferung geht das Risiko auf den Käufer über. Nach dem Wiener Kaufrecht geht die Gefahr hingegen mit der Übergabe der Ware an ein Transportunternehmen auf den Käufer über. E2C ließ die Schutzmasken von einer externen Partei transportieren, so dass das Risiko ab dem Zeitpunkt der Lieferung auf den Käufer, Medical, überging. Da auf den Vertrag zwischen E2C und Medical in erster Linie das Wiener Kaufrecht Anwendung findet, sorgt hier dessen Regelung der Risikoverteilung dafür, dass Medical das Risiko für den Untergang der Ware bereits ab dem Zeitpunkt der Übergabe an das Transportunternehmen trägt. Dies bedeutet, dass Medical nicht mehr in der Lage ist, von E2C Ersatz oder Entschädigung für die nicht gelieferten Masken zu verlangen, da E2C für den erlittenen Schaden nicht haftet.

VOR- UND NACHTEILE DES UN-KAUFRECHTS

Ob man das Wiener Kaufrecht ausschließt oder nicht, ist stets eine Abwägungsfrage und hängt davon ab, auf welcher Seite man steht. So haben Sie etwa als Lieferant vielleicht ein großes Interesse daran, dass das UN-Kaufrecht zur Anwendung kommt. Als Käufer profitieren Sie hingegen möglicherweise weniger davon. Ein großer Vorteil des UN-Kaufrechts besteht in jedem Fall in der geringeren Haftung des Verkäufers. Nach niederländischem Recht haftet der Verkäufer grundsätzlich unbeschränkt. Durch die Anwendung des Wiener Kaufrechtsübereinkommens können Sie als Verkäufer einen Großteil der Risiken bereits im Vertrag ausschließen. Darüber hinaus sind die Verjährungsfristen kürzer als nach nationalem Recht. Mit anderen Worten: Kommt es zum Vertragsbruch im Sinne der mangelhaften Erfüllung des Kaufvertrags, so ist dies dem Verkäufer innerhalb von zwei Jahren mitzuteilen. Ein weiterer bedeutender Vorteil für Lieferanten ist, dass Käufer sich nicht ohne Weiteres vom Vertrag lösen können. Es muss (insoweit anders als nach niederländischem Recht) ein „wesentlicher“ Mangel vorliegen und nicht „irgendein“ Mangel.

Ausschluss des UN-Kaufrechts in den Niederlanden – ja oder nein? Wenn Sie als Käufer auftreten, kann es von Vorteil sein, das Wiener Kaufrecht aus Ihrem Vertrag auszuschließen. Dies bietet mehr Sicherheit für die Haftung und eröffnet mehr Möglichkeiten im Falle der Nichterfüllung durch die verkaufende Partei.

Niederländischer ANWALT UN-KAUFRECHT

Es scheint, dass seitens Medical die Anwendung des UN-Kaufrechts sowie die aus dieser resultierenden für sie nachteiligen Folgen nicht (hinreichend) bedacht wurden. Daher stellt sich die Frage: das UN-Kaufrecht ausschließen oder nicht? Nach niederländischem Recht gilt grundsätzlich Vertragsfreiheit, das heißt Sie können selbst entscheiden, ob Sie das Wiener Kaufrecht auf Ihren Kaufvertrag mit einer ausländischen Partei für anwendbar erklären wollen oder nicht. Haben Sie Zweifel hinsichtlich der Auswirkungen einer Anwendung des Wiener Kaufrechts auf Ihren Vertrag? Unser Anwalt Niederlanden für Vertragsrecht Remko Roosjen oder seine Kollegin Sabine Vletter helfen Ihnen gerne weiter, wenn Sie sich zu den Folgen einem Ausschluss des UN-Kaufrechts in den Niederlanden. Kontaktieren Sie uns gerne mittels unten stehender Kontaktdaten.

+31 (0)20 – 210 31 38
remko.roosjen@maakadvocaten.nl

Remko Roosjen

Remko Roosjen

Remko leitet das Team Handelsrecht in Amsterdam bei MAAK als Anwalt für Vertragsrecht in den Niederlanden und ist Mitglied des German Desk der MAAK. Aufgewachsen im deutsch-niederländischen Grenzgebiet, kennt Remko die kulturellen und rechtlichen Unterschiede zwischen beiden Ländern und setzt dieses Wissen ein, um seine Mandanten in grenzüberschreitenden Fällen auf Deutsch optimal zu beraten und in juristischen Prozessen in den Niederlanden zu vertreten. Website Profil anschauen oder LinkedIn Profil anschauen.